Polizei, Rechtsextremismus und Gewalt

Polizei, Rechtsextremismus und Gewalt - Are all Cops Bastards?

Polizei, Rechtsextremismus und Gewalt

Eine Demokratie braucht eine Exekutive. Eine Exekutive, die handlungsunfähig ist, ist keine Exekutive - Somit ja, ich bin für eine Polizei. Zu was Polizei ermächtigt ist, zu was nicht und wie sie arbeitet, bzw. arbeiten darf und soll, dazu gibt es unterschiedliche Ansätze und Ideen. 

 

Konservative und rechte Kräfte schreien oft nach mehr Polizei, mehr Überwachung und mehr Handlungsmöglichkeiten für die Polizei. Insbesondere wird dies deutlich, wenn ein Ereignis stattgefunden hat und danach diese Rufe lauter werden. G20, Terroranschläge oder den „Sturm auf den Reichstag“ sind sicherlich Ereignisse, die die Bevölkerung erschrecken - allerdings sind sie nicht neu. Seien es die Studierendenproteste in den 68ern, Castortransporte, Terroranschläge wie die auf das Oktoberfest oder Demos wie 2014 von den HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten). 

 

Laut R. Behr, Professor für Polizeiwissenschaften aus Hamburg, ist die Gewalt gegen Polizei und Staat nicht angestiegen und auch nicht extremer geworden. Was passiert ist, ist, dass die Fälle medialer geworden sind. Einerseits profitiert die Polizei davon, da sie die Bilder dieser Probleme nutzt, um mehr Überwachung rechtfertigen zu können, andererseits fällt es ihr auf die Füße, da Bilder in beide Richtungen gesandt werden. So werden auch Fehler einzelner Polizisten oder Polizistinnen aufgedeckt. 

 

Die Polizei arbeitet auch mit eben diesen Bildern und Ängsten, damit sie eigene Vorteile erhält, zum Beispiel mehr Personal, mehr Mittel oder mehr Rechte. Die Polizei muss somit als politischer Akteur verstanden werden. Schließlich versprechen eher konservative Parteien, diese Wünsche umzusetzen. 

Warum gegen die Polizei gewettert wird - sind Polizeigewalt und Rechtsextremismus ein Thema?

"Polizist*innen sind auch Menschen" - ein Satz, der oft fällt, wenn es darum geht, dass Polizist*innen angegriffen wurden und man Solidarität zeigen möchte. Doch wenn Polizist*innen auch Menschen sind, machen sie wie alle anderen Menschen auch Fehler. 

 

Eine Polizei, die sich dies nicht eingesteht und die versucht, Fehler unter den Teppich zu kehren, fördert ein Misstrauen der Bevölkerung. Wenn dazu ein Innenminister einer Studie zum Thema racial profiling eine Abfuhr erteilt, da Rassismus in der Polizei verboten wäre, ist das genauso aussagekräftig, wie der Vorschlag, man könne die Polizei abschaffen, da Straftaten verboten wären und deshalb nicht passieren. Wenn die Polizei vertrauen schaffen möchte, sollte sie solche Studien fördern. Nur so kann deutlich gemacht werden, dass man keine Angst vor Transparenz hat, da man eine professionelle Fehlerkultur hat und rechtsextreme Äußerungen und Handlungen nicht geduldet werden. Dort wo es ein Problem gibt, muss dieses erkannt und angegangen werden, damit die guten Polizist*innen nicht dauernd im negativen Licht ihrer kriminellen Kolleg*innen stehen müssen. 

 

Ähnlich verhält es sich bei der Frage zu einer unabhängigen Beschwerdestelle. In vielen Ländern Europas gibt es sie und das macht auch Sinn. Wenn ich das erste Mal mit der Polizei aneinandergerate, treffe ich vielleicht auf einen der Polizisten oder Polizistinnen, die ihre Macht missbrauchen. Im Anschluss daran wird meine Haltung zur Polizei sicherlich nicht die sein, dass ich zur Polizei gehe und mich bei Kolleg*innen des Täters /der Täterin beschwere. Man verpfeift sich gegenseitig nicht - das ist kein Geheimnis. Zudem erfolgen daraus oft Gegenanzeigen. 

 

Dies lässt sich zudem auch mit Studien belegen. In einem Artikel der ZEIT vom 06.07.2020 heißt es:

 

„Die Ruhr-Universität Bochum hat die bislang größte systematische Untersuchung zu Polizeigewalt in Deutschland durchgeführt. 93 Prozent der Ermittlungen gegen Polizisten wurden demnach wieder eingestellt, heißt es in einem Zwischenbericht, meist, weil sich der Tatverdacht nicht beweisen ließ. Kam es zu einer Anklage, endeten nur sieben der insgesamt 3.400 untersuchten Fälle damit, dass ein Polizist auch verurteilt wurde. Mehr noch: Die wenigsten Opfer von Polizeigewalt, neun Prozent, zeigten die Tat überhaupt an." 

 

 

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Eine unabhängige Beschwerdestelle dient somit als Qualitätsmerkmal für eine demokratische und transparente Polizei - auch, wenn die Polizei versucht, das abzustreiten. Das Argument, man würde durch eine Beschwerdestelle allen Polizist*innen unterstellen, Fehler zu machen, ist vereinfacht gesagt Blödsinn. 

Die Polizei und die Neutralitätspflicht

Die Polizei ist zur Neutralität verpflichtet - doch kann sie neutral sein, wenn Sie allein aus Interessensgründen eine politische Richtung präferiert? 

 

Wenn eher liberale Parteien anstatt auf Staatsgewalt auf Prävention, also Sozialarbeit setzen, führt eine Unterstützung dieser Forderung eben nicht zu mehr Rechten, mehr Personal und besserer Ausstattung. Nun könnte man meinen, dass nicht nur die Polizei sich für ihre Belange einsetzt, sondern auch die Sozialarbeit. Dies hat allerdings eine Unwucht, da Sozialarbeit lange nicht die Struktur und die Lobby hat, über die die Polizei verfügt.  

POLIZEI, EXTREMISMUS UND GEWALT IN DEN MEDIEN

Neben den vielen positiven Elementen, die die Polizei für sich aus einer höheren Medienreichweite erzielt, gibt es mittlerweile immer mehr Aspekte, die ihr auf die Füße fallen. Dort, wo Polizeigewalt passiert, ist das Dementieren schwieriger, wenn es Beweisvideos gibt. Es reicht nicht mehr, Zeug*innen einzuschüchtern oder sie als Lügner*innen und Extremist*innen zu denunzieren. Die Polizei muss sich immer mehr den Spiegel vorhalten lassen und ist derzeit völlig überfordert, wie auf einmal damit umzugehen ist. Dass Personen, die Straftaten der Polizei filmen, davon abgebracht werden, ist nichts Neues. Dies geschieht, indem die Polizei versucht, die Leute aufzufordern, nicht mehr zu filmen, durch wegnehmen der Kameras und Smartphones oder durch ein Davorstellen mit der Idee, die filmende Person so lange zu bequatschen, bis die „Straftat“ vollzogen ist – dies geschieht nicht nur bei Demonstrationen, sondern auch bei der alltäglichen Arbeit, wie einige Videos im Netz es immer wieder belegen. 

 

Dass in einer Organisation wie der Polizei, in der so viele Menschen arbeiten, auch schwarze Schafe sind, ist völlig normal. Was nicht normal ist, ist der Umgang der Organisation mit den schwarzen Schafen. Dass insbesondere die Organisation, die die Rechte der Menschen schützen soll, Unrecht in eigenen Reihen nicht sehen will, macht sie unglaubwürdig, sorgt für schlechte Werbung und schadet den vielen guten Polizist*innen, die es gibt. 

Warum Menschen die Polizei nicht kritisieren und Polizist*innen in Schutz nehmen

Die Antwort darauf beinhaltet nur ein Wort: Sicherheit. Wenn wir das, was wir uns selbst als sicherheitsgebendes Konstrukt aufgebaut haben, als unsicher empfinden würden, würden wir uns die Sicherheit dadurch selbst nehmen. Daraus entsteht Angst. Somit geht es mehr um das Gefühl von Sicherheit als die reale Sicherheit - was gefährlich ist. 

 

Bei der Titanic sagte man 1912, dass sie unsinkbar sei. Es wurde ein Gefühl von 100%iger Sicherheit vermittelt, was es so nicht gibt. Wäre deutlich gewesen, dass immer etwas passieren kann, egal wie gut das Schiff ist, wäre man gegenüber evtl. kommenden Gefahren achtsamer und aufmerksamer gewesen. Man hätte sie gegebenenfalls früher wahrnehmen können. 

 

Auch, wenn der Vergleich nicht 1 zu 1 übertragbar ist, würde ich lieber einmal zu viel hinsehen als einmal zu wenig. Insbesondere, wenn man an den NSU oder ähnliche Organisationen denkt. Auch die Nachrichten vom 05.05.2021 kommen mir dazu in den Kopf: Nach derzeitigen Ermittlungen im Falle der 115 Drohschreiben an Abgeordnete, Künstler*innen, etc., unterschrieben mit NSU 2.0, gibt es nun einen Tatverdächtigen, der nichts mit der Polizei zu tun haben soll. Allerdings wurden die 115 Adressen von unterschiedlichen Polizeicomputern abgefragt...

 

Dazu müssen wir uns die Frage stellen: Wollen wir die Organisation in Deutschland, die wir mit Waffen und (Gewalt-)Rechten ausstatten, unreflektiert einfach mal „machen“ lassen? 

Polizei und Jugend - ein Beispiel aus Stuttgart

Am 28.02.2021 häuften sich die Berichte, in Stuttgart kam es nachts zu Ausschreitungen. Jugendliche hielten sich nicht an die Corona-Verordnungen und es gab Zusammenstöße mit der Polizei. – Die Schlussfolgerung: Mehr Polizei.

 

Ich glaube nicht, dass die Antwort auf Gewalt „mehr Gewalt“ sein kann, sondern „Beziehung“. Dies meint nicht, dass Grenzen und Konsequenzen nicht wichtig sind oder außen vorgelassen werden sollen, sondern, dass wir eine beidseitige Perspektive brauchen. Viele Sozial- und Jugendforscher*innen haben sich anschließend zu Wort gemeldet und deutlich gesagt, dass es zu einfach wäre, mal wieder einfach „die Jugend“ zu kriminalisieren. Es geht um Lobby (Polizei vs. Jugend – da ist wohl klar, wem man glaubt), Chancengleichheit, racial profiling, Kriminalisierung, Zuschreibungen, Alternativlosigkeit, Ohnmacht, etc. 

 

Aus meiner Sicht führt die Reaktion „mehr Polizei“ zu „mehr Militanz“ und „mehr Polizeihass“, als dass sie irgendwas verbessert.

Besser wäre es, mit Jugendlichen in Prozesse einzusteigen, in denen sie die oben genannten Themen diskutieren, Wirkmächtigkeit erfahren, Lösungen mit erarbeiten (wie können wir Regeln durch Corona und jugendlich sein miteinander vereinbaren), Beziehung schaffen (Polizist*innen und Jugendliche, die sich als Menschen begegnen – nicht ein*e Präventionsbeauftragte*r, sondern alle), mit Polizei ernsthaft – ohne Machtgefälle - über racial profiling und Kriminalisierung sprechen, etc. 

 

Nur so lernen Jugendliche, mit Polizisten und Polizistinnen umzugehen – sie brauchen auch hier Räume, um Kritik aneinander so zu üben, dass keine Steine fliegen und keine Knüppel schlagen. 

 

 

Zum Abschluss: Ja, die Polizei ist vom Staat, bzw. der Gesellschaft legitimiertes Vorbild. Daher muss sie sich auch vorbildlicher verhalten als alle anderen. 

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