Argumente gegen Rechts oder Argumentationstrainings gegen Rechts sind derzeit gut im Kurs. Seit Jahrzehnten besteht die Idee, dass nur ein bestimmter Satz, der goldenen Spruch, dafür sorgt, dass man jede*n Rechte*n entweder vertreiben, oder besser noch, demokratisieren kann.
An der Art, wie ich es schreibe, wird sicherlich schnell deutlich, dass Argumente oder Argumentationstrainings gegen Rechts aus meiner Perspektive eher wenig Anerkennung finden, da sie vorgeben, diese Diskussionen wären einfach zu managen.
Was in vielen Trainings gegen Rechts, in Broschüren oder im Buch zum Thema vergessen wird, ist die Ebene der Beziehung, also ein systemischer Blick. Der Satz, der gut in der Kneipe funktioniert, um jemandem den Kopf zu waschen, ihn vielleicht sogar bloßzustellen, werde ich sicherlich nicht zu meiner Kollegin sagen, mit der ich seit 10 Jahren zusammenarbeite. Zu der Vorgesetzten wohl erst recht nicht. Vielleicht auch nicht zu meiner Oma. Und es gibt Sätze, die sicherlich von allen dieser Akteure kommen könnten.
Für mich müssen Argumentationstrainings gegen Rechts die Beziehungen der Menschen untereinander, die Settings und Rahmenbedingungen, sowie die Konsequenzen bedenken. Somit ist der Titel "Argumentationstraining gegen Rechts" auch einer, den ich nie für ein Seminar wählen würde, da dieser schon in sich trägt, dass es darum geht, mehr Rüstzeug zu haben, um GEGEN den*die Andere*n zu kämpfen. Gemeinsamkeiten sind durch diesen Titel schon nicht möglich - der Titel sagt: Konfrontation!
Es geht nicht um "Wir gegen die", es geht darum, gemeinsame, menschenrechtsorientierte Haltungen und Positionen für Deutschland und die Welt zu erschaffen, den Menschen hinter den Äußerungen zu erkennen und ihn zu erreichen. Und ja - es geht nicht bei allen. Es geht nur bei denen, die sich irgendwann drauf einlassen, Rassismus und Nationalismus den Rücken zu kehren. Damit müssen wir sehr konsequent umgehen. Diejenigen, bei denen es noch möglich ist, die keine Führungskräfte und Funktionsträger sind, sollten wir zumindest versuchen zu erreichen, bevor wir sie weiter zu den Demokratiefeind*innen stoßen.
Somit gibt es nicht den einen Satz, das Zauberwort. Es geht darum, Reflexionsräume durch Beziehung zu schaffen, nicht darum, den anderen vorzuschreiben, was richtig ist. Es geht darum, zu hinterfragen, ob die Aussagen, die er*sie trifft, die Positionen die er*sie verbreitet, wirklich, aus dem tiefsten inneren, gewollt sind. In den meisten Situationen ist dies nicht der Fall. Wir müssen bereit sein, Prozesse zu initialisieren und regelmäßig Denkangebote zu geben, sodass der Widerspruch des Rechtsextremismus, des Rassismus und des Nationalismus und der in den Verschwörungserzählungen nach und nach selbst erkennbar wird. Wir haben es nicht mit Monstern zu tun, sondern mit Menschen, die Masken von Monstern tragen – wir sollten zumindest den Versuch unternehmen, ihnen dabei zu helfen, diese abzulegen.