Krieg gegen die Ukraine – Verliere ich meinen Pazifismus?

Krieg gegen die Ukraine – Verliere ich meinen Pazifismus?

Ich bin derzeit nicht nur entsetzt darüber, dass Russland einen Krieg gegen die Ukraine führt, ich bin auch irritiert in meinem Wertesystem. War meine Selbstdefinition immer die eines Pazifisten, merke ich immer mehr, dass ich bspw. für Waffenlieferungen an die Ukraine bin. Ist das noch pazifistisch?

 

Die Ostermärsche stehen vor der Tür. Jahrzehntelang ging man für Abrüstung auf die Straße, in den letzten Jahren schliefen die Demonstrationen nach und nach etwas ein. Der russische Angriffskrieg könnten diese wiederbeleben, doch passiert das schon jetzt? 

Nicht nur ich bin in meiner Haltung zu Waffen durch den Krieg irritiert, ich nehme es auch stark in meinem Umfeld wahr. Bin ich nun kein Pazifist mehr? 

Was ist Pazifismus?

Wie bei allen anderen Eistellungen und Grundhaltungen gibt’s auch beim Pazifismus, was sich vom lateinischen pax, „Frieden“, und facere, „machen, tun, handeln“ ableitet, unterschiedliche Dimensionen. Somit gibt’s Formen, die Krieg und Waffen so strikt ablehnen, dass auch Selbstverteidigung durch Gewalt nicht in Frage kommt und Formen, in denen Selbstverteidigung akzeptiert wird. 

Das beruhigt mich schon mal. Auch hier gäbe es keine klare Position für mich, der ich mich zuordnen könnte – doch muss ich das überhaupt?

 

Was heißt Pazifismus für mich?

Klar bin ich gegen Krieg. Und ja, ich bin auch gegen Waffen. 

Doch auch Nazideutschland wurde nicht durch Liebesbriefe zum Rückzug gedrängt, sondern musste aktiv bekämpft werden, damit nicht noch mehr Menschen durch Hitler und seine Schergen ihr Leben verlören. Das war auch schon vor dem Krieg meine Haltung – vielleicht bin ich doch nicht so irritiert, nur für den Moment überfordert, dass die Einstellung, die ich hatte, nun so eine extreme Form und Aktualität annehmen muss.

 

Zudem bleibe ich bei der Position, die ich schon mal geäußert habe: Als im Bundestag die 100 Milliarden Euro zusätzlich für Waffen alleine 2022 verkündet wurden, war ich angewidert und bin es heute noch. Nicht, weil 100 Milliarden für Waffen ausgegeben werden, sondern weil es so beklatscht wurde. Es sollte traurig sein, dass wir nun Waffen kaufen müssen – ich verstehe da keine Euphorie!

 

Und wenn wir Waffen produzieren und an die Ukraine liefern müssen, damit die Menschen sich verteidigen können, damit denen nicht ihr Leben genommen wird, dann ist das, aus meiner Sicht, Pazifismus, solange die Haltung und die Einstellung die ist, dass es die einzige Chance ist, wie die Menschen dort ihr Leben verteidigen/bewahren können. Solange es darum geht, einen Angriff abzuwehren und nicht darum, um sich zu rächen, ist das nach meiner Definition noch Pazifismus. 

 

Und letztendlich sollte es weniger darum gehen, mit welchen Begriffen wir uns identifizieren, sondern welche Werte, Einstellungen und Haltungen wir vertreten. 

 

Keinen Menschen schaden zu wollen, jeder*m das Recht auf Leben, Freiheit und Selbstbestimmtheit zu gewähren, sich für die Schwächeren einzusetzen und mit Respekt, Akzeptanz und Liebe anderen zu begegnen, solange es nur irgendwie geht – das ist der Schlüssel für mich.

Dies schließt für mich mit ein, dass ich nicht alles mit mir machen lassen muss und andere auch nicht. Dass Verteidigung ok ist, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt und dies begrenzt ist auf den Moment, in dem eine Verteidigung erfolgt und man eben nicht zum Gegenangriff übergeht und dann, wenn dies gemeistert ist, dass viel Schwierigere macht – auf den Angreifer zugeht und ihm trotzdem wieder die Hand gibt. – Doch dies kann halt nur passieren, wenn man im Vorfeld dafür gesorgt hat, dass beide noch eine Hand haben, die gereicht werden kann. 

 

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